Der angetrunkene Weihnachtsmann

Ich traf ihn da, wo man ihn am wenigsten erwartet: in meiner Stammkneipe. Dort saß er, der Weihnachtsmann, mit einer roten Nase, die nicht von der Kälte herrührte. Er saß hinten in der Ecke, hatte nichts im Sack und einen in der Kiste.
Ich war entgeistert und fragte mitfühlend:
„Was bedrückt dich denn so, lieber Weihnachtsmann?“
„Weltschmerz“, jammerte er, „ich habe Weltschmerz!“
Er schob mir auch einen „Kümmerling“ rüber. Ich legte tröstend meinen Arm auf seinen roten Samtmantel:
„He, Weihnachtmann, komm, erzähl mir! Was quält dich?“
Er fuhr auf: „Ihr Menschen macht mich zu einer Lachnummer. Ein grotesker Wunsch jagt den nächsten. Oma wünscht sich eine sichere Rente. Mamma wünscht sich keinen Stress mehr im Beruf. Warum kann die sich nicht einfach `n Kochbuch wünschen und Oma sich eine Flasche Doppelherz…“
Er leerte ein „König Pilsener“ in einem Zug und fuhr verbittert fort:
„Ich habe keine Erfolgserlebnisse mehr. Wunsch für Wunsch muss ich abschlagen. Wie ein Versager stehe ich da!“
Recht hatte er. Er tat mir leid.
Ich scherzte: „Dann wäre mein Wunsch, Friede im Nahen Osten zu schaffen, wohl auch ein Problem für Dich ?!“
Er sah mich böse an: „Ich bin nicht zum Scherzen aufgelegt!“ Und haute noch einen Kümmerling weg!
„Höre“, sagte ich, „ich mache dir einen Vorschlag. Ich äußere mal einen einfachen Wunsch. Den erfüllst du mir, dann geht es dir besser.“
Er sah mich hoffnungsfroh an:
„Einverstanden, fang an!“
„Ich möchte mein Golfspiel in der nächsten Saison verbessern!“
Er rollte die Augen: „Da lasse ich mir lieber die Sache mit dem Nahen Osten noch mal durch den Kopf gehen…!“
Der Weihnachtsmann nahm sich einen weiteren Kümmerling und kippte ihn in einem Zug weg.
„Du solltest langsam aufhören!“ sagte ich mit Blick auf seinen Zustand besorgt.
Um ihn aufzumuntern, versuchte ich es mit folgender Bitte:
„Ich wünsch mir übrigens, dass Hannover 96 mal wieder Deutscher Meister wird.!“
„Hast Du sie noch alle?“, polterte der Weihnachtsmann. „Wünsch dir stattdessen ein Schwimmbad neben deinem Schlafzimmer, das ließe sich machen!“
„Machst du Witze?“
„Ja!“
Der Wirt kam an unseren Tisch. „Na, was darf es noch sein“?
„Hallo Alfred“, rief ich, „der Weihnachtsmann ist hier, du kannst dir was wünschen!“
Alfred, der Wirt, rief beglückt:
„Dich schickt der Himmel!“
„Da ist was dran!“ erwiderte der Weihnachtsmann trocken, obwohl er alles andere als trocken war.
Alfred sah den heiligen Mann an: „Ich wünsche mir, dass in unserer Straße nicht mehr so viel eingebrochen wird.“
Der Weihnachtsmann verdrehte die Augen und fegte einen weiteren Kümmerling weg.
„Für Einbrüche ist der Teufel zuständig.“
Das leuchtete uns ein.
„Für den Euro?“
„Auch eine Strafe des Teufels, der ist für den Zaster zuständig!“
„Und für Jürgen Trittin?“
„Der ist eine Strafe Gottes!“
Ich fand es sehr aufschlussreich, mal ein paar Einsichten in die Organisationsstruktur des Himmels zu kriegen.
„Wie wäre es“, sagte Alfred, „wenn ich mir wünsche, dass Frau Merkel endlich einsichtig wird!“
Santa Claus machte ein betrübtes Gesicht. Zack, noch einen Kümmerling.
„Kann ich stattdessen Deine Kneipe renovieren?“
„Na, gut“, sagte Alfred, „das geht auch! Das mit der Einsicht bei Merkel ist wohl auch ein bisschen viel verlangt!“
Da der Weihnachtsmann schon wieder zu einem Kümmerling greifen wollte, mahnte der Wirt verantwortungsvoll: „Guter Mann, lass gut sein. Ich bestell Dir jetzt Deine Rentiere.“
Der Weihnachtsmann zeigte himmlische Vernunft: „Na gut, aber dann hat jetzt jeder von euch beiden noch einen letzten Wunsch frei“, sagte er zu Alfred und mir.
„Ich könnte ein paar neue Golfbälle gut gebrauchen“, sagte ich zaghaft.
Alfred, der Wirt, war weniger zimperlich: „Ich brauche einen neuen Mercedes.“
Der Weihnachtmann triumphierte: „So soll es sein“, lallte er, während seine Tränen versiegten: „Das nenn’ ich realistische Wünsche!“
Von draußen hörte man Glockengeläute.

Von Dr. Jörg Hellmann

Ex-Pauker, Ex-Fußballer, Ex-Tennisspieler, Golfspieler. Studierender des täglichen Lebens und der sich darin abstrampelnden Menschen. Darüber schreibe ich.