Der schwerste Schlag

Von allen Schlägen ist der schwerste
Auf Abschlag 1 der allererste!
Wenn er gelingt, dann heißt das viel,
Dann läuft auch meist das ganze Spiel.
Wenn er jedoch danebengeht,
Nach rechts in einen Bunker dreht,
Wenn er nach links im Rough verschwindet,
Wenn ihn der Sturm ins Aus verwindet,
Wenn er sich Richtung Wasser wendet,
Wenn er vorm Damenabschlag endet,
Dann ahnt man bang, na das wird heiter,
Denn meistens geht es ähnlich weiter!

Wenn sich der Drive jedoch erhebt,
In ungeahnte Weiten strebt,
In schnurgerader Richtung fliegt,
Sich nicht zu einem Slice verbiegt,
Und auch dem Drange widersteht,
Sich nicht zu einem Hook verdreht,
Am Ende noch ein paarmal tickt,
Mit freier Sicht zur Fahne blickt,
Dann ahnt der Golfer, das wird gut,
Das gibt für diese Runde Mut,
Denn so wie dieser erste Schlag,
So wird dann meist der ganze Tag!

Wenn man zum ersten Abschlag geht,
Sich dies in unserm Kopfe dreht:
„Gott geb, der Abschlag geht nicht schief!“
Der bange Zweifel, er sitzt tief,
Man will ihn aus dem Kopf verjagen,
Für immer ihn zu Grabe tragen,
Doch von Entspanntheit keine Spur,
Denn der Gedanke, der bleibt stur.
Nun kommt man zu dem Abschlag hin
Und wartet jetzt auf den Beginn.
Ein Golfer steht turnierbereit,
So zehn Minuten vor der Zeit!
Das ist so Usus, das ist Pflicht,
Die Zeit verkürzen darf man nicht.
So steht man dort minutenlang,
Die Knochen steif, das Herze bang,
Ein Stoßgebet zum Himmel sendet,
Dass diese Wartezeit bald endet!

Der Flight davor fängt jetzt erst an,
Den Ball teet auf der erste Mann,
Der mit dem besten Handicap,
Der geht natürlich vorneweg,
Denn endlich ist das Fairway frei
Auf dieser ersten Bahn, Par drei!
Voll Ehrfurcht schweigt der ganze Rest!
Der Mann besteht den Härtetest!
Er haut die Kugel in die Ferne
Und kommentiert: „Das sieht man gerne!“
Man lobt den Golfer „Guter Schlag!“
Vor dem liegt nun ein schöner Tag!

Der zweite Mann beim Schlag versagt
Und das mit lautem Fluch beklagt!
Ein tolles Ding haut dann der Dritte
Weit hinten auf des Grünes Mitte.
Man schaut bewundernd hinterher,
So soll der eigne sein – nachher!
Dem Letzten geht der Schlag daneben,
Der Driver lässt die Erde beben
Und gleich die Sorge in dir frisst:
„Oh je, mach bloß nicht auch so‘n Mist!“

Der Flight zieht schließlich trödelnd los,
Die Nerven liegen langsam bloß,
Der eine putzt noch mal die Brille,
Der and‘re probt in aller Stille,
Und während dieser neigt zu Scherzen,
Beklagt sich jener über Schmerzen,
Und jeder hofft, dass endlich fände,
Die Nervenschlacht ein schnelles Ende!


Jetzt stehst zum Abschlag du bereit!!
Da kommt auch schon der nächste Flight
Und alle schau‘n auf dich gebannt!
Du hast den Golfball in der Hand,
Du legst ihn zitternd auf das Tee,
Der Blick wird starr, es schwankt das Knie,
Dann straffst du deine schlaffen Sehnen
Beginnst den Körper weit zu dehnen,
Dann haust du zu mit lautem Knall,
Du triffst ihn voll, den kleinen Ball
Und schlägst ihn geradeswegs ins Loch!!
„Na also!“ sagst du: „Geht doch noch!“

Dieses Gedicht ist entnommen aus:

Jörg Hellmann
“Geschichten über kleines Golf”
S. 6-10

Weitere satirische Geschichten über uns Golfer in:

“Kleine Geschichten über Golf”

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Gedichte

Von Dr. Jörg Hellmann

Ex-Pauker, Ex-Fußballer, Ex-Tennisspieler, Golfspieler. Studierender des täglichen Lebens und der sich darin abstrampelnden Menschen. Darüber schreibe ich.